Laudatio Armin Thurnher
Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien 2016
Herr Stadtrat, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Michael Satke
Die Aufgabe, Michael Satke zu preisen, war zwei Leuten zugedacht, Wolf D. Prix und mir. Prix ist, wie Sie wissen, als Architekt und Universitätslehrer ein Mann großer Bauten und großer Worte, ich bin als Herausgeber des Falter ein Bäcker eher kleinerer Brötchen und ziehe, was Worte betrifft, vielleicht leisere Töne vor, bin aber diesbezüglich auch kein Kind von Traurigkeit.
Wolf Prix kann leider heute hier nicht sprechen, er ist krank. Das von ihm mitbegründete Wiener Architekturbüro Coop Himmelblau ist in Wien aber bloß mit – sagen wir einmal vorsichtig – kleineren Werken präsent. Ihre großen Projekte, die Signature-Bauten errichteten sie weltweit. Aber nicht in Wien.
Ich hingegen habe als gebürtiger Nichtwiener mein Werk in Wien vorgelegt, aber es ist kein Signature-Werk daraus geworden, eher ein kollektives kleines Monument in tausenden Fortsetzungen. Der Falter. Davon später mehr. Wir reden ja, auch wenn wir andere ehren, am liebsten von uns selber, und ich bin da, wie sie merken, keine Ausnahme.
Warum Prix hier gesprochen hätte, ist leicht erklärt. Michael Satke war sein erster Wiener Auftraggeber. Der junge Marketingmanager des amerikanischen Maschinenbaukonzerns Cincinnati Milacron kam aus der Kunstwelt, hatte an der Angewandten studiert und sah in der Galerie nächst St. Stephan Werke der Avantgarde-Architektengruppe Coop Himmelblau. Er beauftragte sie mit dem Bau eines Ausstellungsstands für die Düsseldorfer Messe, der sensationell einschlug. Das war 1975.
Es ist merkwürdig: Manche Biografien verlaufen parallel, aber sie überschneiden einander in wichtigen Augenblicken. Nach einer durchzechten Nacht bei den Himmelblaus sah Michael Satke beim Nachhauseweg an einem Lokal im Ersten Bezirk das Schild „zu verpachten“. Nach monatelangem Feilschen hatte er das Lokal. Das war 1977.
Der Begriff Szenelokal war noch nicht geboren. Klarerweise gestalteten Coop Himmelblau das Projekt. Es wurde die legendäre Reiss-Bar. A propos einander berührende Biografien: Beim ebenfalls 1977 gegründeten Falter gehörte die Reiss-Bar zur Kärntnerstraßen-Route für Handverkäufer. Ich selber habe in der Reiss manchen Falter um Schilling zehn verkauft.
Mit diesem neuen Typus von Lokal hat Michael Satke mitgeholfen, Wien zu jener Stadt zu machen, die im internationalen Städtewettbewerb in allen Rankings noch immer vorn liegt. Die Reiss löste mit anderen Lokalen aus, was später als Wiener Beisl-Boom legendär wurde.
1978 gründete Satke mit Gerd Winkler und Günther Lebisch eine Zeitschrift, den Wiener. Sie sollte ein Gegenbild zur Wiener Wadlbeißerei darstellen, über Kunst, Design, Architektur und Menschen in einer wieder erwachenden Stadt berichten. Der Wiener wurde zum Vorbild für viele Publikationen, aber seine erste, großformatige Version, der viele heute noch nostalgisch gedenken, scheiterte nach wenigen Monaten am Kapitalmangel. Damit endete auch Satkes Zeit als Zeitschriftenherausgeber.
Dann kam der Rote Engel. Satke war längst kein Marketingmann mehr, sondern, bedingt durch den Erfolg der Reiss-Bar, Gastronom. Aber Gastronom ist auch nur so ein Wort wie Wirt, das trifft es nicht. Michael Satke war durch seine kunstgeprägte Sensibilität ein Animator, ein Plätzeöffner, ein Stimmungsbeschleuniger. Er trug dazu bei, dass Wien in diesen Jahren ganz anders getaktet wurde.
Aus dem Engel, selbstverständlich ebenfalls gestaltet von Coop Himmelblau, machte er ein legendäres Lokale für die bessere Sorte österreichischer Popmusik. Es war ein offenes Lokal, ohne Türsteher, man konnte jederzeit hineinschlendern, es war ein Stück begehbare Stadt am Rabensteig, es war schön, es war laut, es war urban. Aber es war eines nicht, es war nicht chi-chi. Es hatte den Satke-Spirit.
Worin der Satke-Spirit besteht, kann ich am besten anhand einer persönlichen Anekdote erklären. In den frühen 1980er Jahren war der Falter auf der Suche nach privaten Investoren, die verstanden, was der Falter ist und dem Projekt mit auf die Beine helfen wollten. Mit Hilfe von Christian Reder, dem späteren Professor an der Angewandten, der selbst gleich einmal Falter-Gesellschafter wurde, machten wir uns auf die Suche nach Menschen mit Geld, die für ein paar steuerliche Vorteile, die sie besser anderswo haben hätte können, sich als stille Gesellschafter am Falter beteiligten.
Im Zuge dieser Umfragen trafen wir auf manch heute berühmten, schon damals einigermaßen vermögenden Menschen des sogenannten progressiven Milieus. Es ging nicht um große Beträge. Aber der eine musste gerade ein Grundstück kaufen, damit seine Kinder in Freien spielen konnten, der andere musste seine Kanzlei ausbauen und der Dritte hatte kein Geld, weil er den Weltfrieden retten musste.
Michael Satke hingegen hatte gerade die Konkurrenz zum Falter gegründet, den Wiener. Obwohl der Falter nicht immer fein über den Wiener schrieb, zögerte Satke keine Sekunde und sagte seine Unterstützung zu. Nicht nur das, er brachte uns gleich noch einen Freund, der sich ebenfalls beteiligte. Der Mann hatte Sportsgeist.
Man kann auch sagen, Michael Satke hat ein Auge für die wichtigen Dinge, und er ist ein großzügiger Mensch. Ein Mensch mit genauem Blick und präzisem Urteil. Ein Mensch mit Humor. Und ein Wiener, der Wien geprägt hat. Da wären noch viele Dinge, die erwähnt werden müssten, das First-Floor mit Gregor Eichunger und das Ron con Soda, die Champagnerbälle, einer davon mit Charles Aznavour, einer mit Juliette Greco. Die schönen Bücher, die er herausgab, die Ausstellungen, die er veranstaltete, die Weine, die er machte. Vieles davon wurde vielleicht nicht von allen so gewürdigt, wie es sich gehört hätte. Immerhin wurde Michael Satke zu Recht mit dem Fremdenverkehrspreis ausgezeichnet.
Seine Lokale verkaufte er Anfang dieses Jahrtausends und ging nach Irland, wo er mit seiner Frau einen Garten aufbaute. Natürlich war es bei Satke ein Gartenprojekt von schlanken 100.000 Quadratmetern. Ein Künstlergarten, Glenkeen Gardens, am Meer gelegen und in einer wunderbaren Buchkassette von verschiedenen Fotografen dokumentiert, die, nebenbei bemerkt, 2015 den deutschen Gartenbuchpreis gewann.
Man darf bei einem so erfolgreichen Leben aber auch das Gescheiterte nicht verschweigen. Michael Satke nimmt Scheitern mit Eleganz und Leichtigkeit. Aber dass aus dem von ihm und dem Architekten Gregor Eichinger initiierten Projekt Trialto nichts wurde, das schmerzt. Trialto hätte den Schwedenplatz mit Brücken erweitert und samt zwei unteren Ebenen mit dem zweiten Bezirk verbunden. Ein wahrhaft urbanes, und kühnes, ein großes und doch nicht grobes Produkt. Es hätte Wien besser und schöner gemacht.
Aber das Scheitern ist auch dazu da, dass wir uns umso mehr an all dem Gelungenen freuen. Wien ohne Satke-Spirit wäre eine andere Stadt. Michel Satke kann es nicht lassen, das Leben in Stadt und Land mit seinen Projekten schöner zu machen. Diese Ehrung der Stadt sollten wir als Aufforderung an ihn auffassen, damit keine Ruhe zu geben. Herzlichen Glückwunsch.
Armin Thurnher, Wien 14.9.2016